Große Vielfalt bei weihnachtlichem RTG-Konzert

Der folgende Bericht wurde ursprünglich im Dezember 2017 in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte veröffentlicht.

Wo soll man da anfangen? Am Montag, den 18. Dezember brachten die Musiklehrer und Schüler des Ruhrtalgymnasiums ein Konzert auf die Bühne, das mit seiner Vielseitigkeit erstaunte. Sei es das Schülerorchester, der Unterstufenchor, der Oberstufenchor, der Kammerchor, das Perkussions-Ensemble oder die Solisten … aber nicht nur das Programm war überbordend voll, auch die St. Viktor Kirche war mit über 400 Zuhörern bis auf den letzten Platz gefüllt.

Das Herz des Konzerts war das Vororchester unter der Leitung von Michael Blaschke, das unterschiedlichste weihnachtliche und nicht-weihnachtliche Stücke spielte. 44 Kinder machten im Orchester mit, von Gitarre über Keyboard und Schlagzeug bis hin zu Klarinette und Geige war alles dabei, um nur ein paar der vielen Instrumente zu nennen, die ihren Teil zum Orchesterklang beitrugen. Entsprechend schwer war es, den großen Haufen von Kindern rhythmisch zusammenzuhalten. Respekt an den Musiklehrer Michael Blaschke für diese Mammutaufgabe, die er mit seinem konsequenten Dirigat gut meisterte.

Bei den feinfühligen Liedern, die Clare Schubert und Judith Fabian sangen, wirkte die Orchesterbegleitung hin und wieder etwas zu rau und zu stark, konnte die Sängerinnen aber trotzdem gut unterstützen.

Besonderes Highlight: Das Stück „Watermark“, das durch ein souveränes Klarinettensolo, eine starke Performance am Marimbaphon und die lautmalerischen Effekte für Gänsehautfeeling sorgte.

Neben musikalischen Fähigkeiten bewiesen die Trommelköppe auch schauspielerisches Talent, indem sie  ein Weihnachtsmedley und eine Neukompostion von Blaschke mit schauspielerischen Einlagen performten.

Musiklehrer Uwe Schiemann stellte gleich drei Chöre unter seiner Leitung vor.

„Soundexpress“, ein Chor aus Schülern der fünften bis siebten Klasse, sang Texte wie „Nussknacker“ von Eduard Mörike in einer von Schiemann komponierten Fassung. Hierbei zeigte „Soundexpress“ eine hohe Disziplin und einen präzisen Sound, der bei so jungen Schülern erstaunt.

Der Kammerchor, bestehend aus einigen ausgesuchten Oberstufenschülern, intonierte mit Clare Schubert als Solistin „Oh holy night“.

Auch der große Chor aus etwa 40 älteren und auch ehemaligen Schülern überzeugte mit mehreren Stücken, die, einer Zeitreise gleich, mit dem barocken Kanon „Ich will den Herrn loben“ von Telemann begann, und nach mehreren Liedern mit dem Stück „In dulci jubilo“ des zeitgenössischen Komponisten Karl Jenkins endeten.

Zum Abschluss des musikalischen Abends sangen und spielten die circa 100 beteiligten Schüler  gemeinsam „Wonderful things“, etwas durcheinander vielleicht, aber mit großem Spaß.

Aber damit war das Konzert noch nicht beendet. Von den Schülern unterstützt und von Uwe Schiemann an der Orgel begleitet sang das gesamte Publikum „ O du fröhliche“. Ein schöner Abschluss mit echter Weihnachtsstimmung.

Chor Clamott sucht Männerstimmen

Die folgende Reportage wurde ursprünglich im Mai 2018 in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte veröffentlicht.

Schwerte – Vergangenes Jahr feierte der Schwerter Chor Clamott seinen zehnten Geburtstag mit der großen Jubiläumsrevue „Als die Bilder singen lernten“, im Juni dieses Jahres werden Teile der Revue nochmals aufgeführt. Grund genug, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich mal anzugucken, wie sich so eine Revue in den Proben entwickelt.

Jeden Mittwoch um 20 Uhr begrüßt Chorleiter Carsten Schlagowsky die Sänger in Halle 4 der Rohrmeisterei, dann beginnt das Einsingen. Schlagowsky spielt eine Tonfolge vor, die einzelnen Stimmen von Sopran bis Bass singen nach, erst zusammen, dann versetzt, und in kürzester Zeit entsteht so ein schöner Kanon.

Es folgen altbekannte und -bewährte Songs, die wieder aufgefrischt werden müssen: „When I am 64“ von den Beatles, oder „Ich wollt‘ ich wär ein Huhn“ von den Comedian Harmonists betonen den augenzwinkernden Humor der Gruppe, im Kontrast dazu steht das verträumte Lied „Heimat, deine Sterne“.

Mit feinem Gehör und scharfen Zunge erkennt Schlagowsky jeden Patzer und kann sofort korrigieren, und der Chor setzt die Korrekturen in einer sehr entspannten und vetrauensvollen Atmosphäre um.

In der Pause finden die Chormitglieder Zeit, sich über die vergangenen und die zukünftigen Auftritte auszutauschen oder einfach zu erzählen, wie ihr Tag war, zu plaudern und gemeinsam zu

lachen.

Peter, ein Sänger im Bass, hat dieses Mal Geburtstag und das bedeutet nach alter Tradition: Es gibt in der Pause zu essen und zu trinken. Chips und Salzstangen werden gereicht, dazu Sekt und Orangensaft, und alle gratulieren ihrem Chorbruder Peter, der wieder ein Jahr älter geworden ist. Das Geburtstagskind selber erklärt im Gespräch was ihm so gut am Chor Clamott gefällt: „Die Vielfältigkeit. Man singt nicht nur, man tanzt, man verkleidet sich, und teilweise hat man auch kleine Rollen. Und die Leute hier sind auch mit der Zeit zu Freunden geworden.“

Der Chor Clamott kann auf eine stolze Tradition zurückblicken: Unzählige große und kleine Auftritte, mit eigenständigen Revuen, eingebettet in Musicals, in verschiedensten Besetzungen, mit und ohne begleitenden Posaunenchor kann der Chor vorweisen. Das Repertoire reicht vom Kriminal-Tango über ABBA-Medleys, Tonfilm-Klassiker wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ bis hin zu modernen Songs wie „All of me“. Diese Songs werden bei den Revuen des Chors mit einer Handlung verwoben, sodass auf der Bühne kleine Geschichten entstehen. Für diese Auftritte sucht der Chor immer noch neue Mitglieder, vor allem in den Männerstimmen. Tenöre und Bässe sind im Chor Clamott jederzeit willkommen.

Der nächste Auftritt des Chores findet am 22. Juni im Wilhelm-Hansmann-Haus in Dortmund statt und ist bereits ausverkauft.

Wer Interesse hat mitzumachen kann zu einer Probe kommen, jeden Mittwoch, ab 20 Uhr, in Halle der 4 der Rohrmeisterei, Ruhrstraße 20.

Peter Pan im Theater am Fluss: Das Junge Ensemble erkundet Nimmerland

Der folgende Bericht wurde ursprünglich im Juni 2018 in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte veröffentlicht.

Schwerte – Auf eine ganz besondere Fantasie-Reise nahm das Theater am Fluss die Zuschauer am Freitagabend mit. Die Geschichte um Peter Pan, den Jungen, der nie erwachsen wird, ist hinlänglich bekannt: Die drei Geschwister werden eines Abends von Peter besucht, der ihnen das Fliegen beibringt und sie in seine Welt mitnimmt, das Nimmerland. Dort lernen sie Peter Pans Bande kennen, schließen mit Indianern und Meerjungfrauen Freundschaft, durchstreifen den Dschungel, und müssen schließlich gegen Captain Cook und seine Piraten kämpfen, bevor sie schließlich in die Erwachsenenwelt zurückkehren. Die Regisseure Sina Weber und Stefan Schroeder haben sich die originale Bühnenfassung vorgenommen und eine recht einfache Handlung so phantasievoll inszeniert, dass ein kreatives und buntes Abenteuer für Kinder aller Altersklassen entstanden ist. Da wird aus dem Schlafzimmer der drei Geschwister zum Himmel umgebaut, durch den die Kinder davonfliegen, dann verwandelt sich die Bühne in kürzester Zeit in eine Südeseeinsel mit Dschungel und Meerjungfrauen-Lagune, und im nächsten Moment entsteht vor den Augen der Zuschauer ein Piratenschiff, die „Jolly Roger“, das berüchtigte Flaggschiff des gefährlichen Captain Hook. Die Bühne wird zu einem einzigen Origami-Kunstwerk, das sich mit wenigen Handgriffen immer wieder zu neuen, abenteuerlichen Schauplätzen entfaltet und die Zuschauer in eine andere Welt mitnimmt. Die Schauspieler tun ihr übriges: Milla Trost überzeugt in ihrer Rolle des Peter Pan voll und ganz. Die böse, aber tollpatschige Piratencrew um den finsteren Captain Hook (ein schauspielerisches Highlight: Alex Lux) sorgt mit einer Menge Slapstick für großes Gelächter, allen voran der Captain, der ein ums andere Mal an der Unfähigkeit seiner Mannschaft verzweifelt.

Aber das Herz das Stücks sind natürlich die Kinder: Es macht Spaß, den kleinsten Schauspielern beim Spielen zu zusehen. Die Jungen und Mädchen nehmen uns in ihre eigene Fantasiewelt mit, in der die Abenteuer auf Nimmerland, das Spiel mit Indianern und Piraten, umso echter wirken.

Wer Peter Pan nach Nimmerland begleiten will, kann das an folgenden Terminen machen:

Do. 21.6. / Di. 26.6 / Fr. 29.6      um 18 Uhr

So. 17.6 / Sa. 23.6 / So. 24.6 / Sa. 30. 6.   um 16 Uhr

In Halle 4 der Rohrmeisterei, Karten gibt es an der Abendkasse, in der Ruhrtalbuchhandlung oder unter tickets@theateramfluss.de

Premiere von Luther im Theater am Fluss

Die folgende Reportage wurde ursprünglich im Oktober 2017 in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte veröffentlicht.

Schwerte – Wie erlebt man ein Theaterstück als Schauspieler? Wie fühlt es sich an, eine viel geprobte Szene endlich vor Publikum zu spielen? Tristan Thietz war als Schauspieler selber dabei, als die Inszenierung „Luther“ am Dienstag, den 3. Oktober seine Premiere hatte, und berichtet über seine Eindrücke von der Vorstellung.

Um 16 Uhr treffen wir uns in der Theaterhalle. Die Vorstellung ist zwar für 18 Uhr angesetzt, aber vorher sind noch viele Dinge zu tun. Die Brezeln fürs Foyer müssen frisch aufgebacken, Requisiten müssen bereitgelegt werden. Das Bühnenbild muss „auf Null“ gesetzt werden, das heißt, es muss für die erste Szene alles fertig aufgebaut und angeordnet werden. Es herrscht eine nervöse Stimmung in der Halle, viele gehen gedanklich oder leise murmelnd ihren Text durch, sprechen letzte Dinge ab, die sie später auf der Bühne berücksichtigen müssen. Generell wird es immer laut, wenn sich die Schauspieler auf die Vorstellung vorbereiten, denn die meisten sind angespannt, und dann liegen die Nerven ein bisschen blank.

Auch ich bin nervös; die Probenzeit von Luther war mit vielen Herausforderungen verbunden; mit 25 Leuten sind wir eines der größten Ensembles der letzten Jahre in unserem Theater, und mit dreieinhalb Stunden Spielzeit und über 40 Szenen ist „Luther“ auch eine der längsten Inszenierungen.

Wie das Publikum das Stück aufnehmen wird wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, heute ist nicht nur die Premiere von „Luther“, sondern sogar die Uraufführung. Unser Regisseur Stefan Schroeder hat Stück selber verfasst, mit großer historischer Genauigkeit zeichnet er darin Luthers Leben nach, und das erfordert eine große Gruppe an Schauspielern, die teilweise in mehrere Rollen schlüpfen müssen.

Entsprechend aufwändig und langwierig waren natürlich die Proben, zu allem Überfluss musste auch die Premiere verschoben werden – nachdem unser Hauptdarsteller mit dem Fuß böse umgeknickt war, wurde die erste Vorstellung am Sonntag abgesagt.

Doch heute ist es endlich so weit, und mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf. Wie wird das Stück ankommen? Haben wir auch wirklich genug geprobt?  Mittlerweile kann ich ich meinen Text, aber im kleinen Kreis zu proben fühlt sich immer anders an, als sich vor einem Publikum öffentlich zu präsentieren. Werden die Szenen wirklich reibungslos laufen? Das Ensemble ist sogar so groß, dass wir gar nicht alle in die normale Garderobe hinter der Bühne passen, wir haben nur für das große Ensemble noch weitere Räume in der Theaterhalle bezogen, im ersten Stock haben wir jetzt eine weitere, große Garderobe. Dort gehe ich um 16:30 hoch; mein Kostüm liegt bereit. Ich spiele eine kleine Rolle, einen Professor an Luthers Universität, mein Kostüm, ein schlichter schwarzer Anzug, hängt für mich am Kleiderhaken. Nach und nach trudeln immer mehr Schauspieler im ersten Stock ein, in der großen Garderobe. Hier oben sind wir so weit von der Bühne entfernt wie sonst nie, damit wir nachher wissen, wann wir auftreten müssen, haben wir ein Funkgerät. Ein einzelner Schauspieler aus unserem Ensemble wird während der gesamten Vorstellung am Bühnenaufgang stehen, das Stück verfolgen und uns über das Funkgerät auf dem Laufenden halten, wann wir dran sind. Eine völlig ungewohnte Methode für uns, und ein weiterer Unsicherheitsfaktor.

Um 17:35 schließlich kommt Stefan, unser Regisseur zu uns hoch in die große Garderobe für eine kurze Ansprache, auch das gehört zu jeder Vorstellung dazu. Er wünscht uns viel Glück und sei zuversichtlich, dass alles gut laufen wird. Die Nervosität ist ihm ein bisschn anzumerken. Wir stellen uns zusammen in einen Kreis, klopfen unserem linken Nachbarn auf die Schulter, unserem rechten Nachbarn, und flüstern dabei „Toi, toi, toi!“ Das soll Glück bringen.

Niemand antwortet mit „Danke“ – das würde Unglück bringen. Niemand ist so abergläubisch wie  Schauspieler, aber wer vor einer Vorstellung so aufgeregt ist wie ich selber zum Beispiel, der entwickelt  Rituale, um sich sicher zu fühlen.

Stefan und die Schauspieler, die am Anfang dran sind, gehen schon mal runter. Um kurz nach 18 Uhr bekommen wir per Funk die Nachricht „Es hat angefangen“. Jetzt beginnt der anstrengendste Teil: Warten. Da die meisten ersten Leute in Szene 9 das erste Mal auftreten, haben wir die ersten Szenen über nichts zu tun. Noch bekommen wir von der Premiere, die unten läuft, nichts mit, wir wissen nicht, wie viele Zuschauer da sind, und hören ihre Reaktionen nicht. Die Zeit vergeht, einige lesen Zeitung, essen, spielen am Handy, hören Musik. Im Abstand von Minuten kommen  Funksprüche durch wie zum Beispiel „Noch eine halbe Seite bis Szene 3!“  – „Jetzt beginnt Szene 3!“ Schließlich die der Funkspruch „Alle für Szene 9  runter!“

Auf einmal setzen sich alle in Bewegung, wir schleichen uns über die Treppe ins Erdgeschoss, dann durch den Flur, und in die kleine Garderobe, die direkt an die Bühne grenzt. Jetzt trennt uns nur noch eine Tür von dem Scheinwerferlicht, und ich merke, wie  dieses vertraute Kribbeln langsam in meinem Bauch aufsteigt, die Aufregung, die ich jedes Mal vor dem Auftritt habe. Szene 8 ist zu Ende, die Scheinwerfer gehen kurz aus, das ist unser Zeichen. Wir eilen auf die Bühne, ich erhasche im Halbdunkel einen ersten Blick auf das Publikum, und auf einmal bin ich in helles Scheinwerferlicht getaucht. Ab jetzt wird gespielt.

Während ich über die Bühne renne, schleiche und stolziere, meinen Text mal rufe und mal vertraulich rede, lasse ich meine Augen unauffällig über das Publikum schweifen. Es ist voll in der Halle, etwa 80 Zuschauer sind da. Allein in der ersten Reihe sitzen drei Fotografen, am Bühnenrand steht der vierte. Ich entdecke auch hier und da vertraute Gesichter, Freunde und Bekannte. Wann immer eine Szene zu Ende ist, laufen wir zurück in die kleine Garderobe, und wenn wir viel Zeit bis zu unserer nächsten Szene haben, wieder in den ersten Stock. Ab jetzt geht alles Schlag auf Schlag; eine Szene nach der anderen kommt, es läuft gut, jeder kann seinen Text, wir bekommen sogar Szenenapplaus.

Ob ein Stück funktioniert oder nicht merkt man dem Publikum an, und zwar sofort. Mein Eindruck beim Spielen: Die Zuschauer sind wirklich im Geschehen, sie lauschen aufmerksam an den ernsten Stellen und lachen in witzigen Momenten. Es funktioniert.

Schließlich ist Pause, eine Viertelstunde zum Verschnaufen, sich nochmal konzentrieren, bevor es weitergeht. Stefan kommt hoch hoch, um uns eine erste Rückmeldung zu geben. Wie er das Publikum heute einschätzen würde frage ich ihn. „Ich glaube die sind heute ganz gut drauf.“, meint Stefan lächelnd.

Dann geht es weiter; in Zeitraffer spielt sich Luthers ganzes Leben auf der Bühne ab , der Reichstag zu Worms, die Bücherverbrennung durch Luther und so weiter und so fort. Viele Szenen hat man bei den Proben schon so oft durchgespielt oder angeguckt, dass man die Sätze der anderen schon mitsprechen kann. der vorletzten Szene verhaspel ich mich ein bisschen; ich sage meinen Satz etwas zu spät, aber mit etwas Improvisation überspielen wir das.

Improvisation gehört eigentlich immer dazu; jedes Publikum ist anders, reagiert anders und beeinflusst dadurch auch die Art und Weise, wie sich die Schauspieler auf der Bühne fühlen und wie sie bestimmte Dinge ihrer Rolle ausspielen. Jede Aufführung wird dadurch einzigartig.

Schließlich endet das Stück mit Luthers Tod. Zum Applaus kommt das komplette Ensemble auf die Bühne, wir sind so viele, dass wir kaum alle in eine Reihe passen, aber nach der ersten Verbeugung verklingt der Applaus nicht, wir müssen noch einmal aus der Garderobe raus und uns ein zweites Mal verbeugen. Nachdem wir uns schnell umgezogen haben rasen wir Schauspieler immer so schnell wie möglich in den Zuschauerraum, um noch ein paar Zuschauer beim Rausgehen zu erwischen. Jeder findet immer ein paar bekannte Gesichter unter den Zuschauern, jetzt wird nach der Aufführung gequatscht und gewitzelt, und am meisten von allen strahlen immer die Schauspieler. Ein bisschen Eitelkeit gehört zum Theaterspielen vielleicht auch dazu.

Die Arbeit endet natürlich nicht mit dem Schlussapplaus; nachdem das Publikum gegangen ist, müssen die Requisiten sortiert, die Halle aufgeräumt und der Premieren-Sekt getrunken werden, das erledigt sich ja nicht alles von alleine. Stefan hält zum Abschluss im Kreise seines Ensembles eine kurze Ansprache; diesmal ist es Erleichterung, die man ihm anmerkt; auch das gehört zum Theater dazu, der ständige Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Aufregung und Erleichterung. Schließlich löst sich die Truppe für diesen Abend auf; gegen 23 Uhr bin ich endlich zuhause, müde, aber auch glücklich. Wieder ein Tag rum. Wieder eine Aufführung geschafft. Genug Theater gespielt. Zumindest bis zur nächsten Aufführung. Theater macht müde, aber auch süchtig.

Info: Die nächsten Aufführungen von „Luther“ sind am 15. Oktober um 18 Uhr, sowie am 5., 6., 13. und 14. Oktober um 19:30 Uhr in der Halle 4 der Rohrmeisterei.

Wer selber Interesse hat, beim Theater am Fluss mit zu spielen, kann sich unter info@theateramflus.de melden.

Tristan Thietz

Musik aus 10 Jahren TaF: Abschluss einer Jubiläumsspielzeit

Der folgende Artikel wurde ursprünglich im Juli 2018 auf dem Nachrichtenportal Ruhrtal Journal veröffentlicht.

Schwerte – Ein besonderes Ereignis gab es im Theater am Fluss zu feiern: Am 8. Juli wurde der Theaterverein 10 Jahre alt. Da man sich diesen Abend nicht mit dem Fußball streitig machen wollte, beging das Laientheater aus Schwerte seinen Geburtstag am Samstag, den 7. Juli in der Theaterhalle an der Ruhrstraße. Ein Liederabend mit Musik aus 10 Jahren TaF sollte der Jubiläumsspielzeit einen würdigen Abschluss geben, und entsprechend voll wurde es in der kleinen Halle, die mit einer ungewöhnlichen Sitzordnung aufwartete. Keine Sitztribünen gab es, sondern kleine Tische, an denen man sich mit Snacks und Getränken hinsetzen und den Liedern in gemütlicher Atmosphäre lauschen konnte.

Lars Blömer, 1. Vorsitzender und Intendant des Theaters, begrüßte die vielen Zuschauer, bedankte sich bei den Sponsoren, blickte auf die Produktionen der vergangenen Jahre zurück und erklärte stolz: „Wir sind ein gewachsener Organismus. Unsere Vereinsarbeit wird durch die vielen Vereinsmitglieder ermöglicht, die sich an verschiedenen Stellen engagieren.“

Und was diese Vereinsmitglieder auf die Beine stellen können, das wurde in den nächsten zweieinhalb Stunden deutlich. Natürlich wäre das Taf nicht das TaF, wenn es nicht auch kurze schauspielerische Einlagen und manche emotionalen Momente im Laufe eines Liederabends gäbe.

Daniel Samaga, ein TaF-Schauspieler der ersten Stunde, spielte nach Blömers Begrüßung passenderweise das erste Lied, das jemals im Theater am Fluss gespielt wurde: Mit Gitarre und Gesang intonierte er in humorvoller Weise die Keuschheitsballade von Bertolt Brecht.

Es folgten Lieder aus Brechts Dreigroschenoper, eindrucksvoll gesungen von Stefan Bauer und Sylvia Guse.

Die Liedern der vergangenen Valentinstage brachten das Publikum nicht nur zum Klatschen und Mitwippen, sondern auch zum Lachen: Sabine Klingspor, die einen schauspielerischen Höhepunkt des Abends lieferte, sorgte mit dem Lied “Egon“ für vergnügliches Gelächter. Christine Kluge, die nicht nur Regisseurin, sondern auch Sängerin des Abends war, und Rainer Budde entwarfen mit ihrem Duett ein augenzwinkerndes Bild von der Beziehung zwischen Mann und Frau.

Tobias Friedrich erheiterte das Publikum mit Bodo Wartkes „Ja Schatz“, einem Lied, das vor Wortwitz nur so sprühte. Sascha Böddecker am Klavier versuchte sich als Simultanübersetzer eines französischen Liebesliedes und konnte echte technische Probleme mit dem Mikrofon gekonnt überspielen.

Es gab jedoch auch sehr ernste und traurige Momente und eine pazifistische Botschaft, etwa mit den Lieder aus „Mutter Courage und ihre Kinder“, oder aus „Stimmen aus Theresienstadt“.

Dies und noch vieles vieles mehr gab es am Liederabend, Musik aus „Faust – GANZ“, aus „Sweeney Todd“, aus „Der Kleine Horrorladen“, Musik aus den Jahren 19013 bis 2018, und zum Abschluss ein herzergreifendes „Falling in Love with You“ vom gesamten Ensemble. Das Publikum dankte es ihnen mit lang anhaltendem Applaus. Die Bandbreite von Avantgarde bis Chanson, von Musical über Klavierkabarett bis hin zum Schlager gab der Jubiläumsspielzeit genau den würdigen Abschluss, der angekündigt war, und entließ das Publikum mit vielen verschiedenen Eindrücken in die Sommerpause.

Info: Wer sich über das Theater am Fluss infomieren will, kann die Website www.theateramfluss.de besuchen.

Zwischen Barock und Flamenco

Der folgende Bericht wurde ursprünglich im Mai 2018 auf dem Nachrichtenportal Ruhrtal Journal veröffentlicht.

Schwerte – Die Konzertgesellschaft Schwerte ist dafür bekannt, immer wieder Ausnahmemusiker aus aller Welt nach Schwerte zu holen. Genau das war auch am Donnerstag, den 18. Mai der Fall. Das Ensemble „Los Temperamentos“ spielte auf Einladung der Konzertgesellschaft in der St. Viktor-Kirche. Los Temperamentos, das ist eine Gruppe aus europäischen und südamerikanischen Musikern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine kaum bekannte Seite klassischer Musik zugänglich zu machen: Alte Musik mit Einflüssen aus Südamerika.

Im Kirchenschiff der St. Viktor-Kirche entstand so ein ganz besonderes Klangerlebnis: In einem Stil, der sich gefühlt zwischen den beiden Extremen Barock und Flamenco bewegte, brachten die Musiker Stücke aus dem Südamerika und Europa des 16., 17. und 18. Jahrhunderts zu Gehör, von europäischen Komponisten wie Tarquinio Merula oder Domenico Scarlatti, die exotische Einflüsse aus der „Neuen Welt“ erkennen lassen, bis hin zu originalen überlieferten Liedern aus südamerikanischer Folklore.

Wer hätte gedacht, dass sich die Musik indianische Regentänze beispielsweise auf Cembalo (Nadine Remmert), Blockflöte (Alessandro Nasello) und Barockvioloncello (Néstor Fabián Cortés Garzón) spielen lässt?

Mal war es heißblütige, wilde Tanzmusik, erstaunlich rhythmisch und erstaunlich perkussiv, mal ging die Musik mühelos in ein sehnsuchtsvolles Liebeslied über. Die Lieder, meisterlich gesungen von Swantje Tams Freier, erzählten immer Geschichten aus dem fernen Südamerika, etwa von Liebe und Eifersucht, oder vom Schicksal eines verschleppten Sklaven. Vor allem die zärtlichen Klänge der Erzlaute, gespielt von Hugo Miguel de Rodas Sanchez, erzeugten eine schon fast meditative Atmosphäre, und luden zum Träumen ein. Eines war das Konzert in jedem Fall: Eine Reise durch Welten.

Ihr Können stellten die Musiker auch bei der Zugabe unter Beweis: Statt einfach eines der Stücke zu wiederholen, improvisierten sie einfach ein Stück aus dem Stehgreif, genau so feurig, genau so rhythmisch, und stellenweise auch genau so verträumt wie die vorherigen Stücke. Auch hier gelang Los Temperamentos das Zusammenspiel perfekt.

Man merkt den Künstlern ihre jahrelange Erfahrung an, sie können auf gemeinsame Konzerte Mexiko, Peru und Bolivien zurückblicken, und auf noch anstehende Konzerte in Belgien, Frankreich und Portugal vorausblicken. Bleibt nur zu hoffen, dass die Konzertgesellschaft auch weiterhin so hochkarätige Musiker nach Schwerte einlädt.

Tristan Thietz

Kriminalkomödie mit Rätselspaß im Theater am Fluss

Die folgende Reportage wurde ursprünglich im Januar 2018 in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte veröffentlicht.

Jetzt ist es also so weit. Nach über einem Jahr spielen wir endlich wieder die Mausefalle. Mein Lieblingsstück. Die Mausefalle von Agatha Christie ist eine Kriminalkomödie, mal unheimlich, mal lustig, aber spannend bis zum letzten Akt.

Es geht um sieben Pensionsgäste, die in einer Pension eingeschneit sind, unter ihnen ein unbekannter Mörder. Dieser Mörder kündigt sich mit einer Kindermelodie an, dem englischen Lied „Three blind Mice“. Und so entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem niemand weiß, wer der Mörder und wer die Opfer sind.

2016 hat unser Theater am Fluss das Stück das Stück gespielt, und jetzt, im Januar 2018, kommt die Wiederaufnahme. In kurzer Zeit haben wir unsere Texte aufgefrischt, das Bühnenbild wieder aufgebaut, und geprobt. Am Freitag, den 19. Januar, ist es wieder so weit. Premiere.

Wir ziehen uns unsere Kostüme an, dann geht es gegen 19 Uhr in die Garderobe . Das Warten beginnt. Warten, dass es losgeht. Die Halle füllt sich mit Zuschauern, das Gemurmel der Leute draußen wird lauter. Schließlich geht das Licht aus, und „Three Blind Mice“ ertönt. Das Stück beginnt.

Meine Rolle ist abwechslungsreich, aber auch anstrengend. Mal jauchze ich laut, mal spreche ich vertraulich, mal hüpfe ich durch das Bühnenbild, mal schleiche ich, aber es macht immer Spaß. Auch die anderen sind voll dabei, und so spielen wir in knapp zwei Stunden die Kriminalgeschichte, die wohl den einen oder anderen Zuschauer in die Irre führt. Dennoch gelingt es einzelnen Leuten bei unserem Ratespiel, auf die Lösung zu kommen. Mehr darf ich an dieser Stelle nicht verraten, wer der Mörder ist, wer die Opfer sind, und wer völlig unbeteiligt ist, bleibt geheim. So hat es die Autorin Agatha Christie gewünscht, und darauf legt unser Regisseur Alexander Lux wert: Nach der Auflösung und dem Ende des Stücks müssen alle Zuschauer schwören, nichts zu verraten, damit auch zukünftige Generationen dieses Stück gerne sehen. Ich persönlich hoffe ja, dass wir dann noch immer spielen.

Jetzt ist es also so weit. Nach über einem Jahr spielen wir endlich wieder die Mausefalle. Mein Lieblingsstück. Die Mausefalle von Agatha Christie ist eine Kriminalkomödie, mal unheimlich, mal lustig, aber spannend bis zum letzten Akt.

Es geht um sieben Pensionsgäste, die in einer Pension eingeschneit sind, unter ihnen ein unbekannter Mörder. Dieser Mörder kündigt sich mit einer Kindermelodie an, dem englischen Lied „Three blind Mice“. Und so entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem niemand weiß, wer der Mörder und wer die Opfer sind.

2016 hat unser Theater am Fluss das Stück das Stück gespielt, und jetzt, im Januar 2018, kommt die Wiederaufnahme. In kurzer Zeit haben wir unsere Texte aufgefrischt, das Bühnenbild wieder aufgebaut, und geprobt. Am Freitag, den 19. Januar, ist es wieder so weit. Premiere.

Wir ziehen uns unsere Kostüme an, dann geht es gegen 19 Uhr in die Garderobe . Das Warten beginnt. Warten, dass es losgeht. Die Halle füllt sich mit Zuschauern, das Gemurmel der Leute draußen wird lauter. Schließlich geht das Licht aus, und „Three Blind Mice“ ertönt. Das Stück beginnt.

Meine Rolle ist abwechslungsreich, aber auch anstrengend. Mal jauchze ich laut, mal spreche ich vertraulich, mal hüpfe ich durch das Bühnenbild, mal schleiche ich, aber es macht immer Spaß. Auch die anderen sind voll dabei, und so spielen wir in knapp zwei Stunden die Kriminalgeschichte, die wohl den einen oder anderen Zuschauer in die Irre führt. Dennoch gelingt es einzelnen Leuten bei unserem Ratespiel, auf die Lösung zu kommen. Mehr darf ich an dieser Stelle nicht verraten, wer der Mörder ist, wer die Opfer sind, und wer völlig unbeteiligt ist, bleibt geheim. So hat es die Autorin Agatha Christie gewünscht, und darauf legt unser Regisseur Alexander Lux wert: Nach der Auflösung und dem Ende des Stücks müssen alle Zuschauer schwören, nichts zu verraten, damit auch zukünftige Generationen dieses Stück gerne sehen. Ich persönlich hoffe ja, dass wir dann noch immer spielen.

Krimikomödie im Theater am Fluss

Die folgende Reportage wurde ursprünglich im Januar 2017 auf dem Nachrichtenportal meinschwerte.de veröffentlicht.

Ob alles gut gut gehen wird? Werde ich auch an alles denken? Solche Dinge gehen mir durch den Kopf, kurz bevor ich auf der Bühne stehe. Ich mache schon seit ein paar Jahren im Theater am Fluss mit, aber das aktuelle Stück ist in mancher Hinsicht schon was Besonderes. „Die Mausefalle“ heißt es, eine Krimikomödie von Agatha Christie, der berühmten Krimi-Autorin. Zum einen finde ich dieses Stück besonders, weil ich darin meine Lieblingsrolle spiele, eine Figur, die sehr vielseitig und sehr ungewöhnlich ist. Zum anderen, weil unser Ensemble die Mausefalle schon 2016 aufgeführt hat. Aber dieses Jahr machen wir eine Wiederaufnahme, und am Freitag, dem 19. Januar, ist es so weit: Premiere. Viele Proben hatten wir nicht, immerhin haben wir das Stück schon einige Male gespielt. Aber die letzte Vorstellung liegt schon über ein Jahr zurück. Die Generalprobe lief auch nicht problemlos ab. Ob wohl alles gut gehen wird? Wir sitzen in der Garderobe, warten auf den Beginn des Stücks, und ich merke, wie dieses nervöse Kribbeln in mir aufsteigt. Die Aufregung setzt ein. Um 19:30 beginnt an diesem Abend die Mausefalle. Ich konzentriere mich, versetzte mich in meine Rolle, dann betrete ich die Bühne. Und beginne zu spielen. Nach und nach entwickelt sich die Geschichte vor den Augen der Zuschauer. Wir sind acht Darsteller, die gemeinsam die Geschichte zum Leben erwecken. Viel darf über die Handlung nicht verraten werden, darauf besteht der Regisseur der Inszenierung, Alexander Lux. Das Stück muss ja auch für spätere Zuschauer spannend bleiben. Nur so viel sei verraten: Die Handlung findet in einer kleinen Pension statt, die durch einen Schneesturm völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist. Und einer der Pensionsgäste ist ein Mörder. Und einige andere Bewohner der Pension sind seine Opfer. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, in dem jeder jeden verdächtigt.

In knapp zwei Stunden führen wir durch die Handlung, und: Es geht alles gut. Nach der Auflösung und dem Schluss des Stück fällt die Aufregung wieder von uns ab. Wieder eine Aufführung erfolgreich abgeschlossen. Bleibt nur noch, den Zuschauern den Eid abzunehmen: Niemand, der das Stück verraten hat, darf irgendwem den Augang verraten. Daran halte ich mich als Schauspieler natürlich auch.

Ergänzt wird der Krimispaß durch ein Rätselspiel, in dem jeder Gast die Chance hat, den Mörder nach der Hälfte der Handlung zu erraten.

Domkonzert im Sankt Viktor

Der folgende Bericht wurde im September 2017 in leicht veränderter Form in der Zeitung Ruhr Nachrichten Schwerte abgedruckt.

Mit seinem Dom-Konzert am Samstag, den 23. September, würdigte das Ruhrstadt-Orchester gleich zwei Ereignisse: Das 25-jährige Jubiläum seines Bestehens, und das Lutherjahr. Ein passender Anlass, um eine Aufführung der besonderen Art zu wagen, eine Mischung aus Konzert, Vorlesung und Schauspiel, aus Musik, Literatur und Theater.

Im Vordergrund stand dabei das Duo „LesDeux“, bestehend aus der Gitarristin Sabine Thielmann und dem Schauspieler Kai Bettermann. Mit ihrem Programm „Martin-ein Lutherleben“ hatten sie bereits zahlreiche Auftritte in Deutschland und in der Schweiz absolviert, aber das Programm mit großem Orchester aufzuführen, war für die beiden ein völlig neues Experiment und in dieser Form ein Debüt.

Die beiden erzählten dem Publikum auf unterhaltsame Weise aus dem Leben des Reformators, er in einer Verkleidung als Martin Luther, sie als seine Gemahlin, Katharina von Bora. Wortreich wurden hierbei die wichtigen Stationen in Luthers Leben beschrieben, von Kapiteln wie „Der Student“ über „Pilgerfahrt nach Rom“ oder „Die Bibelübersetzung“ bis hin zum Epilog. Durch die geistreichen Wortwechsel, begleitet von Thielmanns Gitarrenklängen, entstand eine spannende Verbindung von Wort und Musik. Mal wurde das Geschehen als bissiger Dialog zwischen den beiden Eheleuten inszeniert, mal schlüpfte Bettermann auch in andere Rollen, wie die des Ablasshändlers Tetzel, und richtete von der Kanzel aus historische Worte an die knapp 300 Zuschauer, oder er persiflierte als eine Art Nachrichtensprecher heutige Nachrichtensendungen, wenn er von Ereignissen in Luthers Leben berichtete. Als es um das Studentenleben Luthers ging, stimmten die beiden „Gaudeamus igitur“ an.

Der teils musikalische, teils schauspielerische Vortrag der beiden war zudem von literarischen Anspielungen durchmischt: Um die Erlebnisse und die Gedanken von Luther zu beschreiben, wurden Zitate bekannter Bücher benutzt: Für Luthers Begegnung mit dem Teufel wurde Goethes „Faust“ zitiert, an anderer Stelle „Der eingebildete Kranke“ von Moliére.

Aber nicht nur das Duo machte kreative Referenzen: Das Schauspiel wurde vom Ruhrstadt-Orchester musikalisch unterstützt, wobei die Auswahl der Stücke genau auf den Vortrag abgestimmt war, stellenweise sehr grimmig und ernst, wenn Luther etwa die Worte verkündet hatte „Ich will Mönch werden!“, an anderen Stellen heiter, aber immer  ausdrucksstark, trotz der relativ kleinen Besetzung des Orchesters.

Das musikalische Programm war entsprechend vielseitig, so versinnbildlichte Glucks „Tanz der Furien“ den Auftritt des Teufels, oder das Palladio von Jenkins das Unwetter, in dem Luther damals fast umgekommen wäre und das ihn dazu bewog, Mönch zu werden. Ein weiteres Mal stellte das Ruhrstadt-Orchester unter dem Dirigat von Claus Eickhoff seine Vielseitigkeit unter Beweis. Die Kantate von Johann Sebastian Bach „Widerstehe doch der Sünde“, gesungen vom Countertenor Johann-Ardin Lilienthal, symbolisierte den Kampf gegen den Ablasshandel, und das Cembalokonzert, das die Kantorin Clara Ernst spielte, versinnbildlichte Luthers Liebe zur Musik.

Der Chor der Kantorei beeindruckte unter anderem durch seine Interpretation des Chorals „Herz und Mund und Tat und Leben“.

Die Darbietung wurde vom Publikum begeistert aufgenommen: Nach dem Ende gab es stehende Ovationen, dreimal mussten Thielmann und Bettermann vor das Publikum treten und sich verbeugen. Es war ein Konzert der besonderen Art und ein gelungenes Experiment, sehr vielseitig und stimmig zusammengestellt, eine künstlerische Collage von Luthers Leben, von Choral bis Solokantate, von Gitarrensuiten bis zu Cembalokonzerten, von Mittelalter bis Neuzeit, von Musik bis Schauspiel.

Info

Die nächsten Konzerte des Ruhrstadt-Orchesters:

Mittwoch, 1. November (Allerheiligen) Bürgersaal Schwerte, „Innigkeit und Zuversicht“, von Bach bis Mahler

Sonntag, 10. Dezember, 17 Uhr, Rohrmeisterei, Weihnachtskonzert „Festliches Barock“

Sonntag, 14. Januar 2018, 17 Uhr, Rohrmeisterei, Neujahrskonzert „Mozart, Beethoven“

Weitere Infos zu „LesDeux“: www.lesdeux-kleinkunst.blogspot.de

Tristan Thietz

Peter Grimes

Die folgende Rezension wurde ursprünglich im August 2016 zu einer Inszenierung von Benjamin Brittens Peter Grimes am Opernhaus Dortmund verfasst. Sie wird an dieser Stelle mit leichten Korrekturen reproduziert.

Am 9. April 2016 hatte „Peter Grimes“ am Opernhaus Dortmund Premiere. Seitdem hat die Inszenierung mehr und mehr positive Resonanz erfahren, sowohl durch Zuschauer als auch durch Kritiker. Tilmann Knabe wurde als Regisseur gelobt, Gabriel Feltz für die musikalische Leitung gewürdigt. Laut dem Opernmagazin gehört „Peter Grimes“ zum „Besten, was es in der Oper Dortmund in den letzten Jahren zu sehen gab“ (http://opernmagazin.de/premiere-von-benjamin-brittens-peter-grimes-eine-dortmunder-opernhaus-sternstunde/; zul. aufger. 04.06.16). Doch was macht die Faszination für diese Tragödie aus? Um dieses Phänomen zu verstehen liegt es nahe, zunächst einen Blick auf die Entstehung des Werkes zu werfen.

„Peter Grimes“ ist eine Oper des britischen Komponisten Benjamin Britten, die das entbehrungsreiche und tragische Leben des einsamen Fischers Peter Grimes in einem fiktiven Fischerdorf erzählt. Sie wurde im Jahre 1945 in London uraufgeführt und hatte überraschend großen Erfolg. Das Publikum nahm das Werk begeistert auf, und die Presse feierte Britten als den neuen „Orpheus Britannicus“, als den ersten großen Musikdramatiker Englands seit Henry Purcell. Bis heute gilt Britten als einer der wichtigsten Stifter einer nationalen, eigenständigen Musikdramatik in England und als einer der bedeutendsten Opernkomponisten des 20. Jahrhunderts.

Möglicherweise hängt der Erfolg dieser Oper auch mit der persönlichen Beziehung Brittens zu seinem Werk zusammen. Britten selbst hatte aufgrund seiner Homosexualität zeitlebens mit Gefühlen der Ausgrenzung zu kämpfen. Ihm war es wichtig, die soziale Dimension von Peter Grimes in den Vordergrund zu stellen, die Dualität zwischen Masse und Individuum, und erklärte 1948 zur New Yorker Erstaufführung „je bösartiger die Gesellschaft, desto bösartiger das Individuum“.

Oder wie der Hauptdarsteller Peter Pears es ausdrückte „[Peter Grimes ist] weder Held noch Opernschurke. Er ist kein Sadist und kein Dämon. Das zeigt die Musik ganz eindeutig. Er hat vieles gemein mit einem gewöhnlichen, schwachen Menschen, der mit der Gesellschaft, in der er lebt, nicht zurechtkommt.“

Der Prolog beginnt mit einem Gerichtsverfahren gegen Grimes. Nachdem sein Lehrjunge unter unklaren Umständen auf einer Bootsfahrt gestorben ist, wird Grimes unter dem Verdacht des Mordes vor Gericht gestellt. Aus Mangel an Beweisen wird er freigesprochen, aber einmal in die Welt gesetzt, bleiben die Gerüchte über einen angeblichen Kindermord im kollektiven Bewusstsein der Dorfgemeinschaft, daher rät der Richter ihm, in Zukunft keinen Lehrjungen mehr bei sich aufzunehmen. Die Einzige, die nach diesem Vorfall noch zu ihm hält, ist Ellen Orford, eine verwitwete Lehrerin, die Gefühle für den Fischer empfindet, und ein offenes Ohr für seine Ängste und Sorgen hat.

Im ersten Akt sind bereits einige Tage seit dem Prozess vergangen, doch werden die Anfeindungen der Dorfbewohner gegen Peter Grimes immer deutlicher.  Trotzdem oder gerade deswegen entschließt sich Grimes, einen neuen Lehrjungen aufzunehmen: Er sieht nur einen Ausweg, um seinen Platz in der Dorfgemeinschaft zu finden und eines Tages Ellen heiraten zu können – durch hart erarbeiteten Wohlstand. Für die Arbeit auf See beschafft er sich einen neuen Lehrjungen.

Im zweiten Akt bemerkt Ellen Blutergüsse an Grimes neuem Lehrling und beginnt, um die Sicherheit des Jungen zu fürchten. Sie stellt Peter Grimes zur Rede. Dieser drängt wie besessen darauf, mit dem Jungen wieder arbeiten zu gehen, in der Hoffnung, das Geflecht aus Vorwürfen und Misstrauen so abzuschütteln. Es kommt zu einem Streit zwischen ihm und ihr, ehe Grimes den Jungen mit sich nimmt und geht. Einige Dorfbewohner vermuten in Peter Grimes‘ Verhalten Anzeichen für das nächste Verbrechen und folgen ihm zu seiner Hütte. Als die Einwohner Peters Zuhause erreichen, drängt dieser seinen Lehrjungen, die Hütte zügig durch die Hintertür zu verlassen und in das Fischerboot zu steigen, um wieder auslaufen zu können. Dabei stürzt der Lehrjunge unglücklich von der Klippe und stirbt.

Im dritten Akt schließlich beginnt der Pöbel seinen Sturm gegen Grimes. Kapitän Balstrode und Ellen Orford raten Peter, vor dem Zorn der Meute auf die See zu fliehen, was er auch tut. So entkommt er der Justiz der Dorfgemeinschaft, muss allerdings auf See bleiben.

Die Besetzung wirkt wie für dieses Werk geboren. Dem Hauptdarsteller Peter Marsh gelingt bravourös die Leistung, der schwierigen Hauptfigur sowohl durch sein körperliches Spiel als auch durch seinen hingebungsvollen Gesang Leben einzuhauchen.

Besonders in Erinnerung bleibt dem Zuschauer auch Emily Newton, die Darstellerin von Ellen Orford, die ihre Arien mit einem hinreißenden Gefühl über den gemächlichen Klangteppich des Orchesters trägt und für den einen oder anderen Gänsehautmoment sorgt, beispielsweise in der ersten Szene des zweiten Aktes, als sie die Blessuren am Körper des Jungen entdeckt. Auch der Dialog zwischen Ellen und Peter im Prolog setzt schon sehr früh einen bemerkenswerten Moment in der Inszenierung, weil es beiden gelingt, das von Benjamin Britten gut durchdachte Duett gefühlvoll umzusetzen – sie singt in E-Dur, er in F-Moll, also mit größtmöglicher Nähe und hoher Dissonanz zugleich, ehe Ellen schließlich zu Peter durchdringt und er in ihre Tonart umschwenkt. Das Verhältnis zwischen den beiden wird hier von Peter Marsh und Emily Newton in Spiel und Gesang überzeugend vermittelt.

Aber was wäre die britische Oper ohne umfangreiche Chorpartien? Auch der Chor und der Extrachor überzeugen auf ganzer Linie durch eine hundertprozentige Präsenz und ein beeindruckendes Volumen, optisch wird dem klanglichen Reichtum der Massenszenen durch eine eindrucksvolle Detailfreude Rechnung getragen: Die modernen, teilweise schrillen Kostüme von Kostümbildnerin Eva-Mareike Uhlig, das einfallsreich ausgestaltete Bühnenbild von Annika Haller und auch das Spiel der Statisten und Chorsänger tragen das fiktive Fischerdorf 70 Jahre nach seiner Erfindung durch Benjamin Britten in unsere Zeit und verleihen ihm eine aktuelle und lebendige Atmosphäre. Solisten und Chor schaffen es sowohl schauspielerisch als auch musikalisch, die Dramatik der Handlung spürbar zu machen. Handwerklich ist dem Opernhaus Dortmund also im Rahmen seiner orchestralen und personalen Möglichkeiten eine hervorragende Umsetzung des aufwändigen Werkes gelungen, vor allem, weil hier Chancen gesehen und genutzt wurden, Brittens ursprüngliche Vorstellungen effektiv umzusetzen.

In anderen Bereichen versucht man sich hier bewusst von Britten zu lösen, um so etwas völlig Neues und Eigenes zu schaffen.

In bester Dortmunder Theater-Tradition löst man sich gerade von der Tradition, insbesondere in dramaturgischen und optischen Aspekten, sucht teilweise erkennbar Profilschärfe durch einen deutlichen Kontrast zu Brittens ursprünglichem „Peter Grimes“, seien es die freizügigen, schrill bekleideten Prostituierten vor dem Bordell oder die wahlweise betrunkenen torkelnden oder im Takt des Chorgesangs kopulierenden Freier am Hafen.

Die Motive des Werkes haben ohnehin nichts von ihrer Aktualität verloren: Das Anderssein, die Dualität zwischen Individuum und Masse und die Regeln und die Dynamik einer in sich geschlossenen Gemeinschaft sind damals wie heute wichtige Themen. Die Geschichte eines Außenseiters auf der einen Seite und eines Pöbels auf der anderen Seite, der sich durch Ressentiments in eine Hetzjagd gegen den Einzelnen steigert, kann den Menschen gerade heute noch in den Zeiten der Flüchtlingskrise und neu aufkommendem Fremdenhasses einen Spiegel vorhalten und dem Publikum die Schwächen des Menschseins aufzeigen. Doch statt sich mehr auf diesen Pol der Handlung zu konzentrieren, auf die Dynamik und Problematik einer Menschengruppe, sucht Tilmann Knabe das Thema von „Peter Grimes“ im titelgebenden Akteur und findet den Antrieb der Handlung in psychopathischen Veranlagungen von Peter Grimes. Eine mutige Interpretation, die ihre Krönung im vierten Interlude findet. Der tragische Tod des zweiten Lehrjungen, wie er in den Regieanweisungen des Librettos beschrieben wird, hat nichts mit dem blutigen Mord zu tun, der sich dem Zuschauer in dieser Interpretation zeigt. Die intensive Szene, wie Britten sie sich vorstellt hatte, wurde umgedeutet: Aus der symbolischen Einengung zwischen den zwei Türen der Hütte, die die plötzliche Akkumulation der Handlung symbolisierte, wurde ein Standbild psychopathischer Grausamkeit, denn in Knabes Szene liegt der Lehrjunge bereits ermordet in blutgetränkten Bettlaken, und aus Grimes hoffnungsvollem Zureden an seinen Lehrjungen wurde ein schizophrener Monolog, der Grimes‘ Verwirrung belegen soll. Doch nicht nur die Rezitative wurden in ein vollkommen anderes Licht gerückt, der gesamte originale Korpus von „Peter Grimes“ ist dieser Interpretation unterworfen. Die raffinierte Sprache der Musik im vierten Interlude hatte – wie so oft bei Britten – den Zweck, den Zuschauer zu manipulieren, die Szene in der Hütte wird von der immer gleichen Melodie in der Bassstimme begleitet. Zum selben basso ostinato sang der Chor in einer früheren Szene schon seine Anschuldigungen gegen Grimes. In einer subtileren Interpretation, ohne eine blutige Kinderleiche im Bett, hätte man diese Chance nutzen können, um dem Zuschauer diese Anschuldigungen wie von fern in Erinnerung zu rufen und zunächst nur vorsichtige Zweifel an Grimes‘ Unschuld zu suggerieren, ein zusätzlicher kurzer Spannungsmoment bis zum plötzlichen Unfalltod des Jungen an der Klippe. Diese Wirkung wird mit der Kinderleiche für einen sehr viel drastischeren, optischen Effekt aufgegeben. Auch erscheint Pfarrer Adams im Original als ein wohlmeinender Vertreter von Recht und Ordnung, hier erscheint er hingegen als eine Personifizierung der Korruption und Verderbtheit, denn während seine Feststellung „Ther’s no point certainly in staying here/ And will the last to go please to close the door.“ (II, 2) auf dem Papier des Librettos der Hinweis zu einem retardierenden Moment hätte sein können, kann er an einem Tatort nur noch als Symbol der Feigheit und des Wegschauens verstanden werden.

„Peter Grimes“ wurde von dem Opernhaus Dortmund als ein Stück angekündigt, das Pädophilie und Mord thematisiert und das Unrecht, das durch die Untätigkeit und die Ignoranz anderer,  vermeintlich Unbeteiligter zustande kommt. Inwieweit dieses Bild sich mit den Facetten des Werkes verträgt, liegt im Auge des Betrachters, aber einiges spricht dagegen: Das aggressive Auftreten der gewaltbereiten Dorfgemeinschaft im Prolog, der bedrohliche Fackelaufmarsch des Chors in Szene 1 des dritten Aktes deuten ein enormes Konfliktpotential auf Seiten dieses zweiten Akteurs, des Pöbels an, Vorausdeutungen, die hier zwar in aller Radikalität dargestellt werden, wie um ein Unrecht gegen Peter Grimes anzukündigen, die aber für Knabes düstere Interpretation der Figur Peter Grimes fallen gelassen werden. Wo Benjamin Britten dem Rezipienten Raum für Interpretationen gelassen hat, wirft das Opernhaus Dortmund mit voller Überzeugung ein zerfleischtes Kind in das Bild, wo Britten lieber den Schleier der Ungewissheit über den Hintergründen der Handlung liegen lässt, setzt Knabe eine krasse Aussage. Die Figur des Peter Grimes wird dadurch nicht unbedingt verständlicher. Man hat anfangs noch Mitleid mit dieser armen Fischerseele, die im Prolog im Kontrast zu den wütenden Einwohnern noch so rational erscheint, den Unfalltod des ersten Lehrjunges nach bestem Wissen und Gewissen bezeugt und kurz darauf im Dialog mit Ellen so viel Menschliches sagt, eine der wenigen Figuren, die der Zuschauer nicht nur in einer Funktion der Dorfgemeinschaft kennenlernt – anders als Bürgermeister Swallow etwa, Pastor Adams, Apotheker Keene oder Fuhrmann Hobson – sondern als Persönlichkeit. Aber diese Inszenierung nutzt jede Möglichkeit zwischen Brittens Noten, um Grimes diffuser werden zu lassen. Am Ende der Oper soll das Bild eines Psychopathen stehen, aber so ganz überzeugt das nicht, dafür gibt es zu viele andere Schwerpunkte im Werk, ist die moralische Verkommenheit und die Ungerechtigkeit in der Dorfgemeinschaft zu groß, als dass der Zuschauer noch mit irgendjemandem mitfühlen will oder kann. Im Prolog, in dem Grimes mit Ellen Orford über seine Ängste, seine Gefühle und Gedanken redet, wird deutlich, dass Grimes zwar ein Außenseiter ist, aber ein Außenseiter, der sensibel genug ist, dies als Mangel wahrzunehmen, und der unter der ungerechten Behandlung durch seine Mitmenschen leidet, sich schließlich ganz in seine Arbeit als Fischer kniet und Anerkennung durch finanziellen Erfolg zu verdienen sucht. Seine Dialoge enthalten nicht einen Hinweis auf das psychopathische Problem und verlieren durch die spätere Entmenschlichung von Peter Grimes an dramaturgischer Bedeutung. Ist Peter Grimes ein geistig kranker Mensch? Nach dieser Interpretation schon. Der Fackeln schwenkende Pöbel? Der einzige Streiter für Gerechtigkeit. Peters Rückzug auf das Meer? Flucht vor dem gerechten Volkszorn. Und die Chorpartie am Ende des dritten Aktes, in der das Leben ohne Grimes so weitergeht wie bisher und der ewige Fortgang der Gezeiten besungen wird, soll nun laut Regie nicht etwa den endgültigen Ausschluss von Peter Grimes aus der Gemeinschaft symbolisieren, sondern die Rückkehr der Einwohner in ihr alltägliches Leben und das Verdrängen von Peter Grimes Verbrechen, soll ein Beweis für die fehlende Solidarität und Integrität der Einwohner werden und ein Appell an das Publikum, bei geschehenem Unrecht hinzuschauen und zu handeln. Eine interessante Umdeutung. Die Aufbereitung als Psychogramm eines verwirrten Sonderlings ist interessant und lässt sich auch sicherlich auch aus der Vorlage herauslesen, aber sie verliert Brittens ursprüngliche Intention aus den Augen, die tragische Handlung nicht durch das Wesen eines einzelnen Mannes zu erklären, sondern durch die Dialektik von Masse und Individuum. Natürlich ist Peter Grimes eine ambivalente Figur, ein Täter und ein Opfer gleichermaßen. Aber hier liegt der Fokus völlig auf seiner Rolle als Täter, Peter wird zu einem Opfer als selbstverschuldete Konsequenz seines eigenen Handelns. Am Ende bleibt Peter Grimes einsam und alleine und von den Logen über dem Publikum singt der Chor, bevor auch der zuletzt verstummt. Wenigstens in der Musik hat die Dorfgemeinschaft noch das letzte Wort.